Die Natur Englands und der innere Drang nach Freiheit ist, was dieses Buch ausmacht. Benjamin Myers beschreibt England in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und erzählt von einem Naturerlebnis in sehr bildlicher Sprache. Jedes Wort ist reine Poesie und der Leser wird mit auf eine wundervolle Reise genommen. Offene See von Benjamin Myers erschien dieses Frühjahr im Dumont Buchverlag und ich durfte dieses Buch als Rezensionsexemplar lesen und möchte Euch nun ein wenig daraus berichten.
Robert
Der junge Robert steht nach der Schule vor dem Beginn seines Jobs im Bergbau unter Tage. Ein Erbe, dass er von seinem Vater antreten soll, denn alle Männer vor ihm taten es auch. Doch ihn zieht es in die Ferne, er möchte das Meer sehen und ein Abenteuer erleben, bevor er unter Tage arbeiten muss. Ihm ist Freiheit ein Fremdwort und er möchte es einmal erlebt haben. Also macht er sich zu Fuß auf den Weg Richtung Süden. Auf seinem Weg trifft er auf ein abgelegenes Cottage direkt am Meer, dieser Ort scheint ihm direkt vertraut und er versucht Unterschlupf zu finden, dort trifft er dann auf Dulcie. Sie ist eine ältere Frau, die in diesem Cottage alleine mit ihrem Hund Butler lebt. Sie scheint ein wenig einsam zu sein und zwischen beiden entwickelt sich eine Freundschaft. Er verrichtet Arbeiten für sie im Garten und an der Hütte neben dem Cottage und bekommt im Gegenzug Bücher zu lesen und gutes Essen. Dinge, die Robert bisher so nicht kannte und die den 16-jährigen in eine andere Welt entführen.
„Es war eine eher landwirtschaftlich als industriell geprägte Gegend – der Erde zugehörig statt von ihr beschmutzt..“
Dulcie
Die ältere Dame Dulcie scheint einen ausschweifenden Lebensstil zu haben, sie hat auch nach dem Ende des zweiten Weltkrieges eine Riesen Ration an Lebensmitteln gebunkert und lebt im Wohlstand. Sie besitzt vier Automobile und interessiert sich für die Freiheit und die Lyrik. Durch sie lernt Robert, wie man das Leben geniessen kann. Durch sie lernt Robert die Poesie kennen und lieben und am Ende erkennt er auch durch sie, was er vom Leben möchte. Bisher kannte er schließlich nur sein Pflichtgefühl. Doch auch Dulcie hat einen Verlust erlitten und bekommt durch den Besuch von Robert einen neuen Lebenswillen zurück. Nicht nur, dass er ihr eine enorme Hilfe im Garten und am Haus ist, sondern er hilft ihr auch, sich alten Dämonen zu stellen. Ihre Ehrfurcht vor dem wütenden Ozean wird ihr genommen und auch sie kann durch ihn ein neues Leben beginnen. Beide profitieren aus der zufälligen oder auch schicksalhaften Begegnung und es zeigt, wie wichtig die Bande der Freundschaft sind.
“Der erste Weltkrieg war die größte Gräueltat, die die Menschheit je begangen hat. Was haben wir daraus gelernt? Größere und bessere Bomben bauen, mehr nicht…„
Die Möglichkeiten eines Lebens
Mit diesem Satz beginnt der Rücktitel des Buches und er beschreibt dieses auch besonders treffend. In diesem Buch geht es um die Sehnsucht nach Freiheit und über die Wichtigkeit von Liebe und Freundschaft. Es geht darum inne zu halten und sich zu überlegen, welchen Platz man im Leben einnehmen möchte. Dulcie glaubt an einen dritten Weltkrieg und die Passage in dem Buch bringt einen wirklich zum nachdenken, sie glaubt die Menschheit ist schlecht, gerade weil wir uns Menschheit nennen. Irgendwie hat sie Recht und auf der anderen Seite bereitet einem diese Aussage unbehagen. Benjamin Myers versteht es die dunklen Seiten dieses Buches in poetische Worte zu verpacken. Er hat den Kern der Geschichte erfasst und bringt den Leser in eine andere Welt. Man möchte nach England reisen, man möchte fast schon sein Leben überdenken. Man ist versucht sich zu fragen: „Habe ich bisher genug gelebt?“
Meine Meinung
Ein ganz großartiges Buch, welches ich unbedingt empfehlen möchte. Es ist der erste Roman von Benjamin Myers der im deutschen erschienen ist und ich hoffe, dass da noch mehr kommen wird. Offene See ist ein sehr tiefgründiges Buch und noch dazu eine wundersame Reise durch die Landschaft Englands. Und die Tatsache das der Buchtitel auch im Buch eine Rolle spielt, wurde sehr gut heraus gearbeitet und macht das Ganze noch schöner. Vielleicht hat Benjamin Myers ja eine ähnliche Erfahrung machen können, wer weiß, aber der Gedanke ist schön. Danke an den Dumont Buchverlag für dieses tolle Exemplar.
Rezensionsexemplar/ Dumont Buchverlag/ Zweite Auflage 2020/ 268 Seiten/ 20,00€
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