„Ich glaube, die Mauer, die die Stadt umgibt, ist das Bewusstsein, das Sie als Person ausmacht. Deshalb kann diese Mauer ihre Gestalt auch nach Belieben verändern. Das menschliche Bewusstsein ist wie ein Eisberg. Was über die Wasseroberfläche hinausragt, ist nur ein sehr kleiner Teil davon. Der größte Teil bleibt unsichtbar und im Dunkeln.“
Es sind Sätze wie diese, welche mich Haruki Murakami lieben lehrten. Dieser Mensch kann Schreiben. Seine Bücher ziehen einen in einen Bann und man kommt nur schwerlich davon los. Es ist, wie in dem Buch beschrieben, eine zweite Welt, in die man hinein gesogen wird. Man kann sich nicht wehren, es passiert einfach. Und das gelesene hallt dann noch eine ganze Weile nach. Sechs Jahre mussten wir bis zu seinem neusten Roman „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ warten und das obwohl er diese Geschichte bereits in sehr jungen Jahren begonnen hatte zu schreiben. Er fühlte sich damals aber noch noch nicht reif genug, diese Geschichte zu dem zu machen, was daraus heute geworden ist. Ein Meisterwerk! Gebt diesem Mann doch bitte endlich den Nobelpreis für Literatur!

Zum Inhalt des Buches
Der Ich- Erzähler in diesem Buch, seinen Namen erfahren wir leider nicht, verliebt sich mit süßen siebzehn Jahren in ein Mädchen. Dieses Mädchen erzählt ihm von der Stadt mit der ungewissen Mauer. Eine Stadt, die nicht jeder kennt und wo man seinen eigenen Schatten abgeben muss. Eine Stadt ohne Zeit und in der Einhörner leben. Als das Mädchen eines Tages spurlos verschwindet, begibt er sich in diese Stadt, um das Mädchen wieder zu sehen. In der Stadt arbeitet er in der Bibliothek als Traumleser und dort begegnet er auch wieder dem Mädchen. Doch ist diese Stadt wirklich der richtige Ort für ihn?! Außerhalb der Mauern, in der vermeintlichen Realität lebt er in Tokio und arbeitet bei einem großen Verlag. Doch die Stadt Tokio scheint ihn zu erdrücken, so entscheidet er sich in eine kleine Unbekannte Stadt zu ziehen und dort auch in einer Bibliothek zu arbeiten.
Sein Chef in der Bibliothek Herr Koyasu ist sehr nett und bietet ihm sofort die Leitung der Bibliothek an. Wie sich herausstellt, ist Herr Koyasu bereits tot und sein Geist erscheint unserem Ich- Erzähler regelmäßig. Und dann kommt auch noch jeden Tag ein mysteriöser Junge in die Bibliothek, der auch unbedingt in die Stadt mit den ungewissen Mauern möchte. Die Realität und die Fantasie verschwimmen hier an vielen Stellen fast unauffällig. Hin und wieder fragt man sich, was ist hier denn jetzt Echt und was ein Traum des Protagonisten. Etwas, was Haruki Murakami einfach genial erschaffen kann, eine absolut verrückte Welt und das obwohl sein Schreibstil eigentlich super simpel ist. Er benutzt keine komplizierten Stränge oder Erzählweisen, er schreibt sehr klar und dennoch up to space irgendwie. Es gibt kaum Worte für diese Art des Erzählens in meinen Augen.

Fazit
Ich liebe dieses Buch! Eigentlich geht es im Grunde darum, zu sich selbst zu finden. Vordergründig geht es um eine komische Stadt mit Mauern, aber psychologisch betrachtet, sucht der Erzähler nur sich selbst und er begegnet sich selbst auf verschiedenen Ebenen. Er verliert sich unterwegs und es ist ungewiss, ob er die Realität je wieder erreichen kann. Ganz, ganz große Erzählkunst. Ich habe mir sehr viel Zeit mit dem Roman gelassen, weil man ja nie weiß, wieviele Bücher er noch schreiben wird. Immerhin ist Haruki Murakami stolze 75 Jahre dieses Jahr geworden. Ich hoffe es werden noch ein paar, denn dieser Autor ist großartig. Natürlich vergebe ich 5/5 Sternen 🌟🌟🌟🌟🌟 what else?!
Achso: Übersetzt von Ursula Gräfe, eine fantastische Übersetzerin. Das sei zu erwähnen!
Selbst gekauft/ Dumont Buchverlag/ Auflage 2024/ Gebundene Ausgabe/ 637 Seiten/ 34,00€





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